Ich habe sämtliche öffentlichen Sitzungen diesen Jahres besucht. Der
Schwerpunkt war der Haushaltsplan 2010. Durch diese Kontinuität habe ich
unerwartete Einblicke in die Ratsarbeit bekommen.
Wegen des großen Defizits waren die Themen gelegentlich brisant. Die Ratsmitglieder
hatten vor den Sitzungen Unterlagen erhalten. Dadurch waren sie in der Sitzung
je nach persönlicher Vorbereitung informiert.
Die Presse erhielt zu Beginn der Sitzungen Unterlagen, die anwesenden Einwohner nicht.
Ein Zuschauer monierte dies in der Sitzung des Schulausschusses am 28.1.. Die
Bürgermeisterin versprach, sich über Abhilfemaßnahmen Gedanken zu machen, zu deutsch: "Vergessen Sie's."
Die Bürger sollen nur punktuell informiert werden. Bei Themen, bei denen Politik
oder Verwaltung etwas vorzuweisen haben, erfolgt breite Information. Bei der Sitzung des
Finanzausschusses am 25.2. war nicht zu übersehen, dass die Ansprache von Zahlen
vermieden wurde. Man traf keine Entscheidung über einen Betrag von x EUR, sondern
über "den in der Beschlussvorlage genannten Betrag". Den kannten die Zuhörer
nicht. Auch die SPD, die gerne betont, dass sie für Bürgerinformation
stehe, fällt da nicht aus der Rolle.
Auch der Umgang miteinander ist eingespielt. Die CDU hat die absolute Mehrheit und ist sich
dieser Stärke in aller Regel sehr bewußt. In stoischer Gelassenheit nimmt man
die Wortbeiträge der Opposition entgegen. Oft wird kein Gegenargument gebracht.
Dann wird abgestimmt, und entschieden wird, was die CDU will. Die Argumente der
Opposition konnten beliebig gut sein.
Aber nicht immer ist sich die CDU ihrer Mehrheit sicher. Da gibt es den gemeinsamen
Antrag der Opposition, den Jugendtreff alle 2 Wochen an einem zusätzlichen
Tag zu öffnen. Alle bestätigen, dass die Jugendarbeit dort außerordentlich
gut sei. Die CDU will den Antrag ablehnen. Sie sucht bei diesem Thema offenbar
grundsätzlich die Kontroverse zur Opposition.
Nun wird abgestimmt. Wie ein Geier reckt der Fraktionsvorsitzende seinen Hals, um
zu sehen, dass sich alle CDU-Mitglieder an die ausgegebene Parole halten.
Und dieses Mißtrauen ist begründet, wagt es doch tatsächlich einer,
sich der Stimme zu enthalten.
Ich konnte den Fraktionsvorsitzenden beobachten. Seine Miene sprach Bände.
Da folgte sicher ein Rüffel.
Dem Zuschauer war klar, hier wurde aus parteitaktischen Gründen gegen die Sache
entschieden.
Die Opposition meldet sich häufiger zu Wort und vertritt andere Meinungen als
die Mehrheit. Aber das erfolgt doch alles sehr handzahm. Man hat eine andere Meinung,
und wenn man überstimmt wird, ist das halt Demokratie.
Deutlich und nachdrücklich vertreten nur Herr Steppat von der UFS und Herr Meyer
von der SPD ihre Positionen.
Aus dieser Haltung von Herrn Steppat entsteht auch das Bild, das die Bürgermeisterin
abgibt. Dies sei an einem Beispiel geschildert.
Im Wegeausschuss wird am 15.2. auch die Dorferneuerungsmaßnahme Bultweg in
Westeresch behandelt. Sie soll ersatzlos gestrichen werden. Der Ausschussvorsitzende
interveniert und weist ausdrücklich darauf hin, dass die Maßnahme den
Bultern zugesagt wurde und dass Zuschüsse nur noch in 2010 zur Verfügung
stehen. Er fragt ausdrücklich, ob der Ausschuss diese wirklich verfallen
lassen wolle. Die Maßnahme sei damit auf Dauer gestrichen.
Der Ausschuss beschließt die Streichung. In der anschließenden
Einwohnerfragestunde kritisieren empörte Einwohner aus Bult die Entscheidung
und weisen nochmals auf den Verfall der Zuschüsse hin. Kein Ratsmitglied widerspricht.
Aber Einfluss auf die Entscheidung hat dies auch nicht.
Die Bürgermeisterin verfolgt die Debatte gespannt, ohne sich zu Wort zu melden.
Doch bei der sich daran anschließenden Diskussion um die Straße nach Büschelskamp
fühlt sie sich angegriffen und reagiert prompt.
Man kann also nicht sagen, dass sie geistig abwesend war.
In der Sitzung des Finanzausschusses am 25.2. spricht Herr Steppat das Thema
Bultweg an. Er fragt, ob es richtig sei, dass Zuschüsse nur noch in diesem
Jahr zur Verfügung stünden und nicht mehr in Folgejahren.
Die Bürgermeisterin, von Herrn Steppat direkt angesprochen, antwortet in
salbungsvollen Worten allerhand, nur nichts zur Frage. Herr Steppat weist sie darauf
hin: "Sie haben meine Frage nicht beantwortet." Darauf die Bürgermeisterin:
"Ich habe keinen neuen Sachstand. Mehr kann ich dazu nicht sagen."
Herr Steppat gibt sich zufrieden.
Es folgt die Einwohnerfragestunde. Ich melde mich zu Wort und erkläre, wenn
es keinen neuen Sachstand gebe, dann gelte ja unverändert der aus der Sitzung des
Wegeausschusses. Dort sei klar gesagt worden, dass die Zuschüsse verfallen
würden.
Antwort der Bürgermeisterin: "Das wusste ich nicht."
Ich bleibe höflich und antworte: "Dann wissen Sie es jetzt."
Insgeheim krame ich in meinem Gedächtnis. Mich beschäftigt die
Frage
Wann bist Du eigentlich jemals dermaßen dreist belogen worden?
Es sollten mehr Bürger in die Sitzungen gehen. Man kann viel lernen. Und man
versteht, warum es in Scheessel immer schlechter wird. Seit heute führt
das Wollgeschäft "Strick & Schnack" in der Großen Straße einen
Totalausverkauf durch, wegen Geschäftsaufgabe. Nach dem Naturspeicher ist
dies der zweite Laden in der Großen Straße. Diese war bisher von den
zunehmenden Leerständen verschont geblieben.
Und bei dieser Politik wird der Abwärtstrend auch nicht durch ein Haushaltssicherungskonzept gestoppt.
Ernst Friesecke, 26.2.2010
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